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Das Helfersyndrom - Hilfe für Helfer

sh schmidbauer das helfersyndrom

von Wolfgang Schmidbauer
Taschenbuch: 251 Seiten; Verlag: Rowohlt Tb.; 18. Auflage: Überarb. + erw. Neuausg. (1. September 1992); ISBN-13: 978-3499191961; 8,95 EUR

Ich hatte mir das Buch eigentlich gekauft, weil ich meine Arbeit optimieren und Fehler vermeiden wollte. Um so größer meine freudige Überraschung, dass mir dieses Buch viel, viel mehr gegeben hat!
So stellte sich heraus, dass sich Schmidbauer nicht (wie ich angenommen hatte) auf seine kritische Betrachtung der „helfenden Berufe” selbst beschränkt. Er beschreibt auch das hierzu notwendige Verständnis um gesunde und problematische narzisstische Bedürfnisse und die Probleme aus deren Nicht-Erfüllung und deren Unterdrückung.

Aber auch diesen Rahmen sprengt Schmidbauer. Er betrachtet zusätzlich die Aspekte „helfender Berufe” in der sozialen Eingebundenheit in der Gesellschaft und deren Funktionalität innerhalb des Gesellschaftssystems – immer unter dem Blickwinkel der narzisstischen Problematik, die sich nicht nur in den Menschen (Helfern) zeigt, sondern auch in dem gesellschaftlichen Gesamtsystem.

In zahlreichen Beispielen aus seiner psychoanalytischen Praxis, aus analytischen Gruppen zeigt er die zerstörerische Wirkung sogenannter Kollusionen (Kollusion = sich selbst verstärkende Dynamiken wie z.B. in sogenanntem Teufelskreis), beschreibt im Detail deren Wirkungsmechanismen und auch, wie man diese durchbrechen kann, um zu gesunden.

Aufgrund des tieferen Verständnisses narzisstischer Störungen und der Wirkungsmechanismen von Kollusionen zeigt Schmidbauer, dass Ansätze und Möglichkeiten der Therapie von Menschen in ähnlicher Weise auch Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen gegenüber wirksam werden können, um positive Veränderungen zu bewirken. Eine „Heilung” in der Beziehung Helfer —Klient kann demnach nur in dem Maße erfolgen, wie der Helfer bereit ist, an sich selbst zu arbeiten und seine emotionale Rolle innerhalb des „helfenden Systems” zu verstehen.

Erstaunt hat mich auch, dass Herr Schmidbauer bei seinen kritischen aber immer wohlwollenden Betrachtungen auch sein eigenes berufliches Umfeld, Berufskollegen, therapeutische Schulen und Lehrrichtungen ebenso einbezieht, wie das Gesundheitssystem, seine Institutionen und letztlich gesamtgesellschaftliche Entwicklungs- und Veränderungsprozesse. Er macht vor nichts halt, nichts ist ihm „heilig” oder unantastbar.

Zugleich idealisiert er aber auch keine Alternativen und folgt damit seiner Einstellung, nach der jede Art von Rigidität schädlich ist. Seine fachliche Kompetenz, die ruhige Art seiner Texte trotz der darin oftmals enthaltenen Kritik, zeugen davon, dass Schmidbauer aus eigener gelebter Erfahrung spricht und kein bisschen theoretisiert oder gar besserwisserisch missioniert. Daher provozieren seine im Buch geäußerten Meinungen keinen Widerstand, sondern fördern die kritische und selbstkritische Auseinandersetzung von Menschen in „helfenden Berufen” mit dem, was sie tun und wie sie mit sich selbst dabei umgehen.

Manche Fachbücher, insbesonders wenn diese auf gesellschaftliche Zustände Bezug nehmen, sind relativ schnell veraltet. Dies ist bei diesem Buch nicht der Fall, denn Schmidbauer hat psychologisch anerkannte Wirkungsmechanismen beschrieben, deren Grundsatzcharakter Allgemeingültigkeit hat. Deshalb ist dieses Buch wohl immer noch aktuell. Zudem bestätigen die  negativen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen dank immer mehr Bürokratie und Einsparungsvorgaben die Richtigkeit und Aktualität dieses Buchs. Es ist (leider) aktueller und wichtiger denn je!
Ich finde dieses Buch extrem hilfreich und äußerst empfehlenswert! Es hat meine Arbeit im beruflichen Rahmen, aber auch meine persönliche Weiterentwicklung sehr gefördert.


 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Die Hilflosigkeit von Helfern entspringt ihrem überstrengen altruistischen Ideal der sozialen Hilfe. Was rigide Ideale im Leben des einzelnen und im Zusammenleben von Gruppen und Völkern anrichten können, ist das Thema dieses erfolgreichen Klassikers, der nun überarbeitet und erweitert als Taschenbuchausgabe vorliegt.

Autorenportrait:

Wolfgang Schmidbauer, geboren 1941 in München, studierte Psychologie und promovierte 1968 über „Mythos und Psychologie”. Anschließend war er als freier Schriftsteller in Deutschland und Italien tätig. Nach einer Ausbildung zum Psychoanalytiker gründete er ein Institut für analytische Gruppendynamik. Heute lebt er als Psychotherapeut und Lehranalytiker in München.

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