Zu Beginn meiner Praxis arbeitete ich mit der Schematherapie. Diese Therapieform hatte mir selbst sehr geholfen,. als ich vor Jahren selbst in einer Krise steckte. So lag es nahe, mit der Schematherapie meine Klienten ebenso erfolgreich begleiten zu können, wie ich es selbst erlebt hatte.
Inzwischen aber entwickelte ich meine Angebote weiter. Ich entdeckte, dass eine Psychotherapie nur dann wirklich effizient ist, wenn alle drei Ebenen des menschlichen Daseins – also auch die körperlichen Wahrnehmungen – gleich stark in die Therapie einbezogen werden. Damit ergeben sich zugleich gewaltige Vorteile und die Grundlage für eine schonende Traumatherapie gemäß der "Somatisch Emotionalen Integration" (SEI) von Dami Charf und des "Neuroaffektiven Beziehungsmodell" (NARM) von Laurence Heller. Die Therapiezeit hat sich seither im Durchschnitt um rund 50% verkürzt!
Schematherapie setze ich allerdings weiterhin ein, wenn z.B. Schwierigkeiten aus dem Bereich „Borderline“ überwunden werden sollen.

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Warum ich nur bei speziellen Schwierigkeiten (z.B. „Borderline“) mit Schematherapie arbeite

Seit ca. 2017 weiß ich durch mehrere Fortbildungen, dass die Schematherapie die neurobiologischen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, wie ein menschliches Gehirn Informationen aufnimmt, sie bewertet, sie speichert und sie wieder abrufbar macht. Vereinfacht dargestellt, ist unser Gehirn in drei Schichten aufgebaut. Dieser Aufbau beruht auf der genetischen Entwicklungsgeschichte der Weiterentwicklung des Menschen.

Aufbau und Funktion des menschlichen Gehirn (stark vereinfacht)

In der untersten Schicht werden die grundlegenden körperlichen Funktionen gesteuert und reguliert, wie Atmung, Blutdruck, Verdauung und generell die organischen Funktionen. Die Reaktionsgeschwindigkeit dieser Schicht auf Reize aus der Außenwelt liegt im Bereich von einigen zehn Millisekunden. (1 Millisekunde = 1/1000 Sekunde)

In der zweiten Schicht verknüpft sich das emotionale Zentrum mit einem Teil der organischen Funktionen und mit Erfahrungswerten, die ein Mensch vorgeburtlich und bis zu seinem Lebensende macht. Man könnte diese Schicht noch einmal unterteilen in einen etwas höher entwickelten Bereich, in dem Erfahrungswerte des Lebensalltag und zugehörige Emotionen gespeichert sind. Dieser Bereich wird auch „implizites Gedächtnis” genannt. – Beispiel: Wie steuere ich all die Muskeln an, um ein Glas mit Wasser zu greifen, anzuheben, genau zum Mund zu führen, im richtiugen Winkel zu neigen und dann zu trinken und zu schlucken? oder: Wie mache ich das im Detail, die optimale Fahrgeschwindigkeit auf dem Fahrrad in einer scharfen Kurve auf Schotter-Untergrund richtig einzuschätzen?

Erfahrungen, die hier gespeichert sind, haben keinen zeitlichen Bezug dazu, wann diese Erfahrungen entstanden sind. Denn würden diese Informationen ebenfalls gespeichert, würde dieses Gehirnteil so komplex, dass es zugleich gefährlich langsam würde. Denn auch dieser Hirnteil hat zum Teil die Aufgabe, unser Überleben zu sichern. – Deshalb liegt auch hier die Reaktionsgeschwindigkeit im Bereich von 25 bis 50 Millisekunden.

Die dritte Schicht besteht aus dem sogenannten Neokortex. Das ist unser „Denk-Gehirn“. Es nimmt den größten Teil in unseren Köpfen ein und ist in der Informationsverarbeitung sehr komplex und hoch entwickelt. Im Gegensatz zum impliziten Gedächtnis hat es eine „Timeline“, eine Zeitspur, in die es Erlebnisse einordnet.
Zudem sammelt es wie ein Staubsauger alle erdenklichen Informationen über den Menschen, dem es gehört, über andere Menschen und über den umgebenden Lebensraum. Alle diese Informations-Stückchen liegen eine Zeit lang bereit, für eine Wiederverwendung. Erfolgt keine Wiederverwendung, wird die Information allmählich wieder gelöscht, so wie ein Bild allmählich vergilben und verblassen kann.
Zudem arbeitet das Gehirn selbstständig assoziativ: Das heißt, es stellt andauernd neue Gedankenverbindungen zwischen den vorhandenen Informations-Stückchen, den Reizen aus der Umgebung und auch den Signalen aus den anderen beiden Gehirnschichten her, interpretiert und bewertet diese und lässt uns Analysen, Schlussfolgerungen und schließlich Planungen und Entscheidungen treffen.
Die Reaktionsgeschwindigkeit dieses komplexen Gehirnteils (Zeit ab Reiz bis zur Reaktion oder Handlung) beträgt ungefähr eine Sekunde.

Wofür ist es gut, wenn wir solch ein mehrschichtiges Gehirn haben?

Einfach gesagt: Diese Struktur hat uns sei einigen zehntausen Jahren das Überleben gesichert! – Wenn es im Gebüsch raschelt und es könnte der Säbelzahntiger sein, dann ist es nicht gerade sinnvoll, wenn unser Neokortex eine umfängliche Analyse darüber beginnt, ob es laut oder leise geraschelt hat und demnach der Tiger größer / gefährlicher oder ein Babytiger / harmlos sein könnte. In der Zeit des Nachdenkens hat der Säbelzahntiger uns längst erwischt.
Deshalb reagiert in einer solchen Situation die zweite Gehirnschicht – und zwar im Millisekundenbereich: Es geht darum, sich blitzschnell für Kampf, Flucht oder Erstarrung zu entscheiden. Und zwar nicht durch Nachdenken, sondern durch nicht mehr zu verhinderndes, sofortiges Handeln / Reagieren. Und damit der langsame Neokortex nicht dazwischen funkt mit all seinem Nachdenken, wird dieser einfach umgangen, z.B. auch, indem neuronale Botenstoffe ihn lahm legen. (Deshalb kann man unter Angst oder Stress kaum etwas lernen.)

Die neurobiologische „Umgehung“ des Neokortex erfolgt auch durch nicht vorhandene neuronale Verbindungswege und zeigt sich z.B. darin, dass es nicht möglich ist, mit Hilfe des Neokortex nachzuschauen, welche Informationen und Alltagsroutinen in der ersten oder zweiten Gehirnschicht gespeichert ist.

Was bedeutet dies nun für die Psychotherapie?

Die meisten psychischen Schwierigkeiten entstehen durch belastende lebensgeschichtliche Erfahrungen, deren Bewertung und den daraus entstehenden Denk- und Handlungsmustern sowie emotionalen Mustern und ebenso den Mustern von Körperreaktionen und Körperempfindungen. Und diese sind in der zweiten Gehirnschicht gespeichert. – Dabei möchte ich betonen, dass es nicht auf die Stärke der Belastung oder deren Dauer ankommt, sondern ausschließlich darauf, wie ein Mensch diese Belastung realistisch und konstruktiv verarbeiten konnte! Viktor Frankl war jahrelang in verschiedenen Konzentrationslagern, hatte aber die persönlichen Ressourcen, diese furchtbare Zeit ohne psychische Schäden zu durchleben!

Wie oben gerade ausgeführt, ist es nicht möglich, mit Hilfe des Neokortex nachzuschauen, was in der ersten oder zweiten Gehirnschicht gespeichert ist. Eine Psychotherapie, die sich überwiegend auf das Nachdenken und Besprechen von Schwierigkeiten richtet und somit überwiegend im Neokortex statt findet, bleibt an der Oberfläche und kann eher lediglich symptom-bekämpfenden oder beratenden Charakter haben. Die Ursachen werden damit nicht behoben, sodass meist nach einiger Zeit die gleichen oder andere Symptome wieder auftreten werden.

Wenn aber wirklich ursächlich und somit nachhaltig therapiert werden soll, so muss auch mit den Erfahrungsmustern in der zweiten Gehirnschicht gearbeitet werden. Liegen dort – wie bei den meisten Menschen – zum Beispiel Erfahrungen aus der Kindheit gespeichert, dass man schlimme Konsequenzen zu spüren bekommt, wenn man sich einem anderen Menschen gegenüber abgrenzt und NEIN sagt, so sind diese Erfahrungen nicht über die dritte Gehrinschicht, den Neokortex, erreichbar und veränderbar!
Veränderungen der dort gespeicherten Erfahrungen sind nur möglich, wenn der Mensch neue, korrigierende Erfahrungen machen kann, die den alten Erfahrungen widersprechen und zudem stark positiv erlebbare Vorteile bieten. Dann werden die alten Erfahrungen überschrieben. Sie verblassen, bis sie ganz ersetzt sind. Wenn die neuen, korrigierenden Erfahrungen verbunden sind mit Erfolg und Lustgewinn, so erfolgt die Überschreibung der alten Erfahrungsmuster schneller und gründlicher. 

Ein Update in der zweiten Gehirnschicht ist nötig: Die alten, meist noch aus der Kindheit stammenden Erfahrungen benötigen also ein Update, weil sich die Lebensbedingungen des nunmehr erwachsenen Menschen drastisch von den eingeschränkten Möglichkeiten des Kindes unterscheiden. Aufgabe der Psychotherapie ist es demnach, nicht irgend eine (tatsächlich nicht vorhandene) psychische Störung oder Krankheit zu „heilen“, sondern den Klienten dabei zu begleiten, veraltete und nicht funktionierende Erfahrungen zu erkennen und in den damaligen Sinn-Zusammenhang einzuordnen. Und aufgrund dieses tieferen Verständnis für sich selbst sich mutig neuen Situationen zu stellen, um neue konstruktive Erfahrungen zu machen und damit das dringend nötige Update einzuspielen.

Die zweite Gehirnschicht ist in der Therapie am besten durch die Emotionen und die Körperwahrnehmungen erreichbar. Die kognitive Ebene (die des Neokortex) wird benötigt, um die in der Therapie wahrgenommenen und bewusst gewordenen Dinge einzuordnen und dafür zu sorgen, dass die Gelegenheiten des alltäglichen Leben dazu genutzt werden, bewusst neue korrigierende Erfahrungen zu machen.

Engagierte Forscher und Psychotherapeuten wie z.B. Bessel van der Kolk und Stephen Porges forschten zum neurobiologisch-psychotherapeutischen Zusammenhang. Peter Levine und Laurence Heller entwickelten auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ihre Therapiemethoden zur therapeutischen Bearbeitung der Folgen von Schocktrauma (Peter Levine: Somatic Experiencing) und Entwicklungstrauma (Laurence Heller: die NARM-Methode). Darauf aufbauend entwickelte Dami Charf ihren Therapieansatz "Somatisch Emotionale Integration" (SEI).

Traumatherapie – Schocktrauma

Ein Schocktrauma kann entstehen, wenn in einem Ereignis etwas Überraschendes, Überforderndes geschieht, das zugleich mit großer Angst und Hilflosigkeit verbunden ist. Das schockierende Erlebnis mitsamt den überfordernden Emotionen und Körperwahrnehmungen wurde in der ersten und zweiten Gehirnschicht gespeichert, aber es kann nicht verarbeitet und zeitlich eingeordnet werden. Zudem steckt die Energie des Schocks noch immer im neuronalen System und kann nicht abfließen, sodass der Erregungszustand des Schocks anhält.
Betroffene eines Schocktrauma stecken in einer „Zeitschleife“ fest, weil die zeitliche Einordnung sowie die Bewertung des Erlebnisses in der zweiten Gehirnschicht nicht möglich ist. Und der Neokortex bemüht sich angestrengt aber vergeblich darum, diese "Zeitschleife" zu durchbrechen und zu einer Lösung zu kommen – obwohl das Schockerlebnis schon längst vorbei ist.
Peter Levine hat mit seinen relativ einfachen aber äußerst wirksamen körperorientierten Therapiemethoden Möglichkeiten geschaffen, diesen nicht erfolgten Verarbeitungsprozess unter Einbeziehung der Körper-Ebene anzuregen und die Spannungen abfließen zu lassen, sodass eine Verarbeitung des Erlebnisses nachträglich auch im Neokortex erfolgt.

Traumatherapie: Bindungstrauma / Entwicklungstrauma

Ein Entwicklungstrauma entsteht meist, wenn die (von der Schematherapie völlig richtig erkannten) kindlichen / menschlichen Grundbedürfnisse massiv verletzt werden und sich das Kind daher in einer hilflosen, überfordernden, ausweglosen Situation befindet, die länger andauert und meist von seinen Bezugspersonen, von denen es existenziell abhängig ist, geschaffen wird. Das KInd sieht in seinen Bezugspersonen grundsätzlich positive und starke Vorbilder und ist sich über seine existenzielle Abhängigkeit vom Wohlwollen der der Bezugspersonen klar.
Werden die Grundbedürfnisse nicht erfüllt, so schließt das Kind daraus, dass mit ihm selbst irgend etwas nicht stimmt und dass es so, wie es gerade ist, nicht willkommen oder gar unerwünscht ist. Das Kind nimmt sozusagen die Defizite der Bezugspersonen auf sich. Es wird alles Erdenkliche dafür tun und wird seine grundlegendsten Bedürfnisse und Emotionen dafür verraten, damit die Bindung zu den Bezugspersonen niemals gefährdet wird. Zuigleich sieht es sich selbst oder einen Teil von sich selbst als „schlecht“ oder „schuldig“ oder „mangelhaft“ oder „nicht liebenswert“ an. Zugleich schämt es sich für diesen Anteil und neigt dazu, diesen Anteil zu unterdrücken und zu bekämpfen. So entsteht im Kind ein grundlegender und existenzieller Konflikt mit sich selbst, ein innerer Konflikt, aus dem das Trauma besteht.

Unterschied zwischen Schocktrauma und Bindungs- / Entwicklungstrauma

Beim Schocktrauma steckt der Betroffene in einer Art Zeitschleife fest. Seine Schwierigkeit liegt darin, das schockierende Ereignis korrekt in die Zeitspur einzuordnen, die Bedeutung des Schocks realistich zu bewerten und die Anspannung aus dem Nervensystem abbauen zu können. Die Methoden von Peter Levine's Somatic Experiencing" (SE) sind hier die derzeit wirksamsten, können aber auch gut mit EMDR und anderen Methoden ergänzt werden – je nachdem, was ein Klient gerade am besten nutzen kann.
Die Therapiedauer ist bei der Bearbeitung von Schocktrauma-Folgen meist relativ kurz – zumindest im Vergleich zu

Das Bindungs- / Entwicklungstrauma unterscheidet sich grundlegend vom Schocktrauma, weil der Klient einen Konflikt mit sich selbst hat. Zudem sind durch diesen Inneren Konflikt und die sich daraus entwickelnden ungünstigen Glaubenssätze, Strategien und Narrative die Entwicklung von sozialen und emotionalen Fähigkeiten sowie der Fähigkeit zur Selbstregulation des Nervensystems beeinträchtigt. Die Therapie muss also aufgrund der Komplexität der Traumafolgen mehrschichtig arbeiten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines speziellen therapeutischen Vorgehens, was durch die oben genannte SE von Peter Levine nicht geleistet werden kann.
Ich habe mich mit mehreren realtiv neuen Methoden beschäftigt, wie z.B. der Schematherapie, der EgoState-Therapie, der Arbeit mit dem Inneren Kind, mit EMDR, mit Imagination und Umschreiben (Imaginery and Rscripting), mit SE, NARM und SEI und habe aus allem die Methoden ausgewählt, die zu meinem therapeutischen Verständnis und auch zu mir als Therapeut passen und sich in meiner Praxis bisher bewährt haben.

Grundlage ist immer die Haltung der Achtsamkeit, sowohl auf Seiten des Klienten als auch auf meiner Seite. Der Ablauf bzw. die Struktur einer Therapiestunde ist immer prozess-orientiert. Das heißt, immer das, was der Klient gerade in die Stunde einbringen will, ist der Inhalt der Stunde. Meine Aufgabe ist es, die geeignete Form der Bearbeitung anzubieten für das Anliegen des Klienten in Verbindung mit seinen individuellen Verarbeitungsmöglichkeiten.

Trotz des prozess-orientierten Arbeitens gibt es eine übergeordnete Struktur, nach der die Folgen eines Bindungs- / Entwicklungstraumaa bearbeitet werden:

In der ersten Phase geht es darum, in der Beziehung zwischen Klient und Therapeut Vertrauen, Zuversicht und Sicherheit sich entwickeln lassen. Zugleich wird die Haltung der Achtsamkeit vermittelt. Dabei können bereits Schwierigkeiten des Klienten in seinem Alltag in Bezug gesetzt werden zur Haltung der Achtsamkeit und wie diese helfen kann, z.B. Eskalationen zu vermeiden und die Fähigkeiten zur Selbstregulation zu verbessern.
Ferner vermittele ich in dieser ersten Phase die Prinzipien des Bindungs- / Entwickungstrauma an Beispielen, die der Klient aus seiner Erfahrungswelt benennt. HIeraus kann der Klient erleben, dass er seinen Schwierigkeiten nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern sich mit therapeutischer Begleitung – doch aber letztlich aus eigener Kraft aus den Schwierigkeiten selbst befreien kann. Diese meist als neu erlebte Selbstwirksamkeit ist eine Kraft, die den Klienten ermutigt, auch unangenehmere Schritte in der Therapie mutig vorwärts zu gehen.

Im zweiten Schritt benennt der Klient sein aktuell brennendstes Problem und beschreibt auch, wie sich sein Leben anfühlen würde, wenn er konstruktive Lösungen für dieses Problem hätte. Auf Augenhöhe und freundschaftlich-wohlwollend interessiert erkunden dann Klient und Therapeut, was dem Klienten denn im Wege steht, dieses Ziel zu erreichen. Dieses Hindernis ist meistens das BIndeglied zu einem traumatischen Erleben aus der Kindheit.
Es wird also niemals – wie oft bei der Tiefenpsychologie üblich – "die ganze Kindheit" durchgegangen und analysiert, sondern nur das einzelne Ereignis, das die größte Wirkung hat auf die Bildung des Hindernis.

Im dritten Schritt kann der Klient die Glaubenssätze, die (Über-)Lebensstrategien und die Narrative erkennen, die er als Kind in seiner Not entwickelt hat, um damals mit der schlimmen Situation besser zurecht kommen zu können – oder gar um damals überhaupt überleben zu können. Die so erkannten drei Faktoren kann der Klient nun in Bezug setzen zu den Körperempfindungen, Emotionen, Denkmustern und Verhaltensweisen heute.

Im vierten Schritt lässt der Klient seiner Fantasie freien Lauf, wie er denn die in der heutigen Lebenswirklichkeit als schwierig empfundenen Situationen besser lösen könnte, wie sich solche besseren Lösungen auf seine Körperempfindungen, seine Emotionen, sein Denken und Handlen auswirken würden. Und dann ist er bereit dazu, diese Veränderungen vorsichtig im Lebensalltag auszuprobieren.
Ebenfalls Bestandteil dieses vierten Schrittes kann sein, dass der Klient seine aufgrund der Traumatisierung weniger gut entwickelten Kompetenzen nach-entwickeln kann. Schwerpunkt dieser Nachentwicklung sind besonders soziale Fähigkeiten und generell das Thema Bindung und Beziehung.

Da es meistens mehrere solcher "brennendsten Probleme" bzw. "Baustellen" gibt, muss dieser Prozess der Stufen 2 bis 4  für jede einzeln durchlaufen werden. Da der Klient nun aber bereits an die guten Erfahrungen aus der Bearbeitung der ersten "Baustelle" anknüpfen kann, sind die weiteren Therapiethemen meist deutlich schneller bearbeite, als das erste Thema.

Schematherapie oder andere Methoden zur Bearbeitung der Folgen eines Bindungs- / Entwicklungstrauma?

Die Schematherapie wurde entwickelt, um das, was wir heute „Folgen eines Bindungs- oder Entwicklungstrauma“ nennen, effizient und schonend therapeutisch bearbeiten zu können. Dabei lag aber – zumindest aus meiner heutigen Sicht – der Schwerpunkt auf Klienten, deren Traumafolgen mit der Bezeichung „Borderline-Syndrom“ beschrieben werden können. Das „Borderline-Syndrom“ ist gekennzeichnet durch eine enorme Vielfalt an Symptomen, sodass es ein „typisches Borderline-Verhalten“ nicht gibt.
Wohl aber ist es meistens daran erkennbar, dass der Klient dazu neigt, sprunghaft bestimmte Rollen einzunehmen, die in der Schematherapie als Schema-Modi bezeichnet werden, wie z.B. „der wütende, impulsive Modus“, der „überkritische, strafende Modus„, der „Selbstschutz-Modus“, der „verlassene / missbrauchte Modus“ und der Modus des „konstruktiven kompetenten Erwachsenen“. In der Schematherapie geht es darum, dass der Klient sich dieser Modi bewusst wird, deren Entstehung / Ursachen versteht und Möglichkeiten erlernt, die mit den Modi entstehenden Spannungen im Sinne von Selbstregulation auszugleichen. Während dieser Therapiephase unterstützt der Therapeut den Klienten, indem er dort für Struktur sorgt, wo es dem Klienten noch nicht möglich ist.

Ein solch stark strukturiertes, anleitendes und stützendes Vorgehen in der Therapie ist aber nicht für alle Klienten passend und könnte dann auch als bevormundend erlebt werden.

Zusammenfassend ist meine Erkenntnis:

Die Schematherapie berücksichtigt meiner Ansicht nach zu wenig die bis hierher beschriebenen neurobiologischen Zusammenhänge und bezieht auch die Körper-Wahrnehm,ungen zu wenig in die Therapie mit ein. Die Erfahrungswerte, die in der zweiten Gehirnschicht verändert werden müssen, werden durch Schematherapie zu wenig erreicht, ausgenommen dann, wenn innerhalb der Schematherapie erlebnis-basierte Methoden angewendet werden, aus denen neue, korrigierende Erfahrungen hervor gehen.
Schematherapie war ein wichtiger Baustein in der Entwicklungsgeschichte der neueren Psychotherapie. Wertvoll sind die empirisch festgestellten Grundbedürfnisse eines Menschen und die Folgen einer Missachtung dieser Grundbedürfnisse, speziell in der KIndheit und Jugend. Auch die Sichtweise der Schematherapie, dass es weniger darum geht, etwas „krankhaftes, gestörtes“ zu heilen, sondern um die Nach-Entwicklung von Fähigkeiten, die aufgrund einer belasteten Kindheit eingeschränkt sind. Mit dieser therapeutischen Grundhaltung arbeite ich auch heute.


Falls Sie an meinem ursprünglichen Beitrag über Schematherapie noch interessiert sind:

Schematherapie beruht auf einer engen Kombination aus Tiefenpsychologie und Verhaltenstherapie. Sie bietet eine auch für Laien leicht verständliche Sichtweise auf Bewältigungsstrategien, die durch stark kränkende Erlebnisse in Kindheit und Jugend entstanden sind und auch im Erwachsenen-Alter die freie Lebensgestaltung beeinträchtigen. Diese Strategien verleiten zu ungünstigen Problemlösungen oder zu belastenden Situationen, die immer wieder kehren, obwohl man alles dafür tut, dass sich die Wiederholung nicht ereignet. – Aber was ist Schematherapie genau?